Klaus-Rainer Martin
Büroarbeit zu Hause: Klaus-Rainer Martin an seinem Schreibtisch. Foto: privat

Klaus-Rainer Martin leidet an einer Spinalkanalstenose. Den minimalchirurgischen Eingriff schiebt er lange vor sich her. Er ist schon 86 Jahre alt und fürchtet die Nebenwirkungen einer Operation. Dann werden die Schmerzen zu stark und er entscheidet sich doch für die OP. 

Ein Bericht von Klaus-Rainer Martin, dokumentiert von Lukas Hoffmann 

Ich bin ein leidenschaftlicher Läufer. In meinem Leben habe ich an 77 Marathons teilgenommen. Dann kam die Silvesternacht 2010 und mit ihr mein Herzinfarkt. Danach konnte ich nicht mehr laufen, aber noch walken. Weiter ging es mit Walk-Marathons. Auch da kann man auf manchen Strecken bis zu 30 Kilometer gehen. 2016 dann der nächste Rückschlag. Eine Neurologin diagnostizierte bei mir die Parkinson-ähnliche Krankheit PSP (Progressive supranukleäre Blickparese). Menschen mit dieser Krankheit haben Probleme beim Sprechen und Schlucken. Die Muskeln werden steif, die Bewegungen langsamer und der Gang unsicherer. Aber ich ließ mich nicht aufhalten und nahm an 27 weiteren Walking-Veranstaltungen teil.

Doch dann nahm meine Leistungsfähigkeit plötzlich rapide ab. Konnte ich Anfang 2021 noch zehn Kilometer gehen, musste ich meine Trainingsstrecke auf sechs und schließlich auf nur noch vier Kilometer verkürzen. Ende Juni waren die Schmerzen in den Beinen schon nach 500 Metern so stark, dass ich mich nach Hause quälte. Ich vereinbarte einen MRT-Termin und erhielt einige Monate später die Diagnose: Lumbale Spinalkanalstenose mit Nerveneinengung zwischen dem vierten und fünften Lendenwirbel.

In der Klinik sagte man mir, dass ich nun zwei Möglichkeiten hätte: mit den Schmerzen zu leben oder mich operieren zu lassen. Eine Operation sei in 90 Prozent der Fälle erfolgreich. Aber wie aussagekräftig ist diese Statistik für einen 86-jährigen Mann mit Vorerkrankungen? Mein hohes Alter und die Einnahme eines blutverdünnenden Medikaments würden das Risiko von Komplikationen erhöhen, befürchtete ich. Deshalb entschied ich mich gegen die Operation und für ein tägliches, einstündiges Gymnastikprogramm.

Starke Schmerzen nach Gartenarbeit

Das hat einigermaßen funktioniert. Dann hörte ich von der Möglichkeit einer Infiltration. Dabei wird ein entzündungshemmendes Medikament in die schmerzende Stelle am Rücken gespritzt. Bei mir gingen die Schmerzen danach so stark zurück, dass ich im Frühjahr 2024 wieder im Garten arbeiten konnte. Leider wurde meine Euphorie schnell gedämpft. Ich verhob mich an einem schweren Gegenstand. Die anschließenden Rückenschmerzen waren so stark, dass ich mich kaum noch bewegen konnte.

Also wieder Klinikbesuche. Ein neues MRT wurde gemacht. Und ich besorgte mir einen Indoor-Rollator, denn schon die wenigen Meter im Haus verursachten Schmerzen beim Gehen. Wie dankbar bin ich meiner Frau Ursula, die mich durch diese schwere Zeit begleitet hat.

Das MRT-Bild zeigte immer noch eine lumbale Spinalkanalstenose, aber diesmal rieten mir die Ärzte dringend zu einer Operation. Mit Hilfe eines Operationsmikroskops wollten sie das überschüssige Gewebe, das die Nerven einengt, entfernen. Der Eingriff sei Routine. Die Komplikationsrate gering. Also folgte ich dem Rat der Ärzte und entschied mich für die Operation.

Am 14. Mai 2024 war es soweit. Meine Tochter Ulrike brachte mich in Begleitung meiner Frau ins Krankenhaus. Auf der Station dann die Ernüchterung: Neben mir lag der 82-jährige Hans. Er war bereits vor sechs Jahren wegen einer Spinalkanalstenose operiert worden. Doch die Operation habe nichts gebracht, erzählt er. Morgens beim Einkaufen sei er von Schmerzen regelrecht überfallen worden und zusammengebrochen.

Ich wischte alle Zweifel beiseite: Der OP-Termin stand fest. Am nächsten Morgen wurde ich um 9.30 Uhr zur Operation abgeholt. Die Anästhesistin legte mir eine Sauerstoffmaske an. Dabei führten wir ein kurzes, belangloses Gespräch. Nach kurzer Zeit verlor ich das Bewusstsein und wachte am späten Nachmittag im Aufwachraum wieder auf.

Zurück im Krankenzimmer traf ich Hans. Man hatte ihn gründlich untersucht und festgestellt, dass die Operation vor sechs Jahren nichts gebracht hatte. Deshalb musste er erneut operiert werden. Mir hingegen ging es gut. Ich hatte keine Schmerzen mehr in den Beinen. Ich konnte schon am nächsten Morgen aufstehen und mich im Bad frisch machen. Ein Physiotherapeut kam und machte mit mir Beinübungen. Hans wurde zur Operation abgeholt und ich blieb allein im Zimmer.

Kurz vor dem Abendessen wurde er wieder in unser Krankenzimmer geschoben. Sein OP-Termin war abgesagt worden. Zu viele Notfälle. Mit meiner Entlassung am späten Nachmittag des nächsten Tages trennten sich unsere Wege. Gegen 17 Uhr war ich nach nur vier Tagen wieder zu Hause.

Home sweet Home

Die erste Woche habe ich das Haus nicht verlassen. Ich ruhte mich auf dem Sofa im Wohnzimmer aus, schlief oft und viel. Nur zum Essen und für die Abendnachrichten im Fernsehen stand ich auf. Meine Müdigkeit war wohl eine Nachwirkung der Narkose. An einem Sonntagmittag, acht Tage nach meiner Entlassung, wagte ich mich zum ersten Mal wieder aus dem Haus. Zusammen mit Ursulas Freundin ging es zum Mittagessen in ein griechisches Restaurant. Der Besuch war anstrengend, aber ohne besondere Schmerzen.

In den nächsten Tagen nahm ich langsam wieder am sozialen Leben teil. Mit Ursula ging ich zu unserer geliebten Chorprobe ins Gemeindehaus. Zwei Wochen nach der Operation drehte ich eine Runde mit meinem elektrischen Rollator. Und ein paar Tage später machte ich zum ersten Mal wieder mein einstündiges Gymnastikprogramm mit Kraft- und Dehnübungen.

Fünf Wochen nach der Operation habe ich zum ersten Mal wieder den Müll rausgebracht und danach eine Stunde leichte Gartenarbeit gemacht. Dabei achtete ich darauf, keine schweren Sachen mehr zu heben.

Nach acht Wochen fuhr ich mit Ursula zu einer Beerdigung in den Harz. Das dreimalige Umsteigen und Treppensteigen auf den Bahnhöfen klappte gut – bewaffnet war ich nur mit meinen Walking-Stöcken.

Nach neun Wochen lief ich – mit Stöcken – die etwa tausend Meter von der Haltestelle zum Arzt.

Nach zehn Wochen half ich beim Auf- und Abbau unseres Verkaufsstandes bei einem traditionellen Flohmarkt in unserem Ort. Bei allen Vorbereitungen und am Verkaufstag konnte ich schmerzfrei mithelfen.

Dreizehn Wochen nach der Operation fand die Nachuntersuchung in der Klinik statt. Fazit: Alle durch die Spinalkanalstenose verursachten Beeinträchtigungen konnten durch die Operation behoben werden. Nur die durch die PSP verursachte Gangstörung ist geblieben. Sie zwingt mich, bei längeren Strecken die Gehstöcke zu benutzen. Dass die PSP durch die Operation geheilt wird, hatte ich aber auch nicht erwartet.

Heute würde ich anderen raten, sich bei einer Spinalkanalstenose in die Hände erfahrener Ärzte zu begeben und sich trotz der bestehenden Risiken operieren zu lassen.


Dieser Erfahrungsbericht basiert auf dem Buch: Mein Leben mit einer Spinalkanalstenose. Klaus-Rainer Martin hat es geschrieben.