Auch komplizierte Brustkrebserkrankungen können heute dank moderner Therapien erfolgreich behandelt werden, sagt Prof. Dr. Kümmel. Er muss es wissen, denn er leitet das Brustzentrum der Kliniken Essen-Mitte, eines der größten Brustzentren Deutschlands.
Klinik Kompass: Herr Prof. Dr. Kümmel, diese Frage stellt sich jedes Jahr fast 70.000 Frauen, die neu erkranken: Kann Brustkrebs geheilt werden?
Prof. Dr. Kümmel: Abhängig von der Tumorbiologie haben wir Überlebensraten zwischen 70 und 98 Prozent. Es gibt Hochrisikofälle, da ist die Prognose schlechter, aber es gibt sehr viele auch weniger aggressive Krankheitsverläufe. Wir behandeln inzwischen schon viele Frauen, die trotz eines Lymphknotenbefalls keine Chemo brauchten. Summa Summarum wirken beim Mammakarzinom Tumortypen, die von den meisten Patientinnen dauerhaft besiegt werden können.
Als Facharzt haben Sie Zugriff auf das dktk-Studienregister. Würden Sie Patientinnen und Patienten grundsätzlich eine Teilnahme empfehlen, wenn es eine passende Studie gibt?
Prof. Dr. Kümmel: Absolut und zwar aus drei Gründen. Wenn man in einer Studie teilnimmt, ist man absolut sicher, dass man, selbst wenn man nicht das neue Medikament kriegt, mindestens die modernste Standardbehandlung bekommt. Zweitens: Wenn man das neue Medikament bekommt, das haben wir in vielen Analysen beweisen können, das Überleben häufig besser ist, für die Patienten. Außerdem werden Studien nur in ausgewählten Zentren durchgeführt, die bestimmte Qualitätskriterien erfüllen.
Wie wichtig ist der Austausch mit Gleichgesinnten, zum Beispiel in einer Selbsthilfegruppe, für den Therapieerfolg?
Prof. Dr. Kümmel: Wir verfolgen bei uns am Brustzentrum das Konzept der Integrativen Onkologie. Teil des Konzepts ist auch der Austausch in der Gruppe. Wir haben festgestellt, dass die Kommunikation mit anderen Betroffenen extrem wichtig und vor allem heilsam ist. Da werden Freundschaften geknüpft, man bekommt Hinweise, Adressen. Andere berichten von ihren Erfahrungen und man stellt fest, dass man mit seinen Sorgen nicht alleine ist.
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Es gibt inzwischen auch Apps für (Brust-)Krebspatienten, mit denen eine Patiententagebuch geführt werden kann oder die an die Medikamenteneinnahme erinnern. Sind sie hilfreich?
Prof. Dr. Kümmel: Ich denke schon, ja. Es ist besser, wenn sich eine Patientin auf die Frage: „Wie geht es Ihnen?“ nicht umständlich erinnern muss, sondern auf ihr Handy gucken kann und die Bewertungsskalen aus dem Patiententagebuch zur Rate zieht. So fällt ihre Antwort viel genauer aus und wir Ärzte können die Therapie entsprechend anpassen.
Wie entscheiden Sie am Brustzentrum, wer welche Therapie bekommt?
Prof. Dr. Kümmel: Dadurch, dass wir so viele Patientinnen und Patienten mit Brustkrebs im Jahr betreuen, sind unsere Teams sehr spezialisiert. Wir haben innerhalb des Ärzteteams, Mediziner, die sich nur um metastasierte Patienten kümmern. Mediziner, die vorwiegend plastisch-rekonstruktiv arbeiten. Mediziner, die auf die humangenetische Beratung spezialisiert haben. Je nach dem, mit welcher Form der Erkrankung die Patientin sich bei uns vorstellt, übernimmt dann ein spezialisierter Kollege.
Würden Sie einer Brustkrebs-Patientin zu einer Impfung gegen das Coronavirus raten, wenn sie eine Chemo- oder eine Strahlentherapie macht?
Prof. Dr. Kümmel: So wie wir empfehlen, sich vor einer Chemotherapie gegen die Grippe zu impfen, würden wir auch empfehlen sich gegen Covid-19 zu impfen. Wir gucken uns die Patientin zuvor natürlich genau an. Wenn die weißen Blutkörperchen deutlich verringert sind und die Abwehrkräfte nicht vorhanden sind, ist eine Impfung unter Umständen nicht sinnvoll. Aber grundsätzlich würde ich dazu raten.
Bevor Prof. Dr. med. Sherko Kümmel Direktor der Klinik für Senologie/Brustzentrum Kliniken Essen-Mitte wurde, arbeitete er als Oberarzt an der Universitätsfrauenklinik der Charité und der Universitätsfrauenklinik Essen. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Operative Gynäkologie und die Gynäkologische Onkologie, eine besondere Aufmerksamkeit widmet er der Behandlung von Brustkrebs. Foto: ©Eventfotograf.in, Essen