Ein künstliches Kniegelenk wird eingesetzt, wenn alle konservativen Behandlungsmaßnahmen ausgeschöpft sind. Doch wie ist eine Knieprothese aufgebaut? Welche Arten von Prothesen gibt es? Wie lange sind sie haltbar? Diese Fragen werden im folgenden Artikel beantwortet.
Ein Beitrag von Lukas Hoffmann
Die Ärzte empfehlen den Einsatz eines künstlichen Kniegelenks aus verschiedenen Gründen. Ursachen können eine von Geburt an vorliegende Fehlbildung sein, die zu einer Instabilität im Kniegelenk beiträgt. Auch eine Rekonstruktion nach einer Tumoroperation oder rheumatoide Arthritis, die zur Schädigung des Knorpels im Knie führt, können die Prothese notwendig machen. In den meisten Fällen ist die Ursache aber eine fortgeschrittene Arthrose im Kniegelenk, auch Gonarthrose genannt. Davon sind in Deutschland über 175.000 Menschen im Jahr betroffen.
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Liegt eine Gonarthrose vor, raten die Ärzte zunächst zu den nicht-invasiven, klassische Therapiemöglichkeiten wie Physiotherapie, Gewichtsreduktion und Schmerzbehandlungen. Wenn die Patienten weiterhin über Bewegungseinschränkungen und Schmerzen klagen, kommt als letzte Möglichkeit die operative Implantation einer Knieprothese infrage.
Abhängig davon, wie groß der Gelenkschaden ist, wählen Ärzte eine Knieteilprothese oder eine Knieendoprothese (Knie-TEP) aus.
Bei kleineren Knorpelschäden kann schon die Knieteilprothese ausreichen. Sie ersetzt nur einen Teil des Kniegelenks. Meist ist nur der innere Anteil zwischen Ober- und Unterschenkel von Arthrose betroffen. Weil die Kreuz- und Seitenbänder des Knies noch intakt sind, wird nur der beschädigte Gelenkanteil ersetzt. Man bezeichnet den Teilgelenkersatz als unikondyläre (einseitigen) Oberflächenersatz oder Hemischlitten-Prothese. Sie kommt nur in zehn Prozent der Fälle zum Einsatz.
Oft ist aber mehr als ein Gelenkbereich beschädigt. Dann empfehlen Ärzte eine Knieendoprothese, auch Totalendoprothese (Knie-TEP) genannt. Hier wird die gesamte Gelenkfläche des Ober- und Unterschenkelknochens ersetzt. Deshalb spricht man auch von einem bikondylären (vollständigen) Oberflächenersatz.
Zusammensetzung der Prothese
Die Knieendoprothese setzt sich aus verschiedenen Teilen zusammen, die eine Anatomie des natürlichen Kniegelenks bestmöglich nachahmen:
Die Oberschenkelkomponente des künstlichen Kniegelenks bedeckt das untere Ende des Femurs, also des Oberschenkelknochens. Sie wird wie eine Zahnkrone auf die Unterseite gesetzt, nachdem beschädigter Knorpel entfernt wurde.
Die Unterschenkelkomponente bedeckt das obere Ende des Schienbeins. Ein kurzer Schaft ermöglicht es den Chirurgen, das Implantat in den Schienbeinknochen zu verankern.
Die Kniescheibenkomponente aus Kunststoff kommt dann zum Einsatz, wenn auch die Rückseite der Kniescheibe von Arthrose befallen ist. Die Kniescheibenkomponente ist eine Art Auflage, die einer Gleitfläche zwischen Oberschenkel- und Unterschenkelkomponente entspricht.
Die Kombination aus Kunststoff (Kniescheibenkomponente) und Metall (Ober- und Unterschenkelkomponente) ermöglicht eine abriebarme Gleitung. So ist das künstliche Knie haltbarer.
Aus welchem Material werden Knieprothesen hergestellt?
Die Chirurgen implantieren eine Knieprothese, die möglichst lange im Körper die Funktion des natürlichen Kniegelenks übernehmen soll. Dennoch dürfen die Bestandteile des künstlichen Knies dem Körper nicht schaden. Also ist neben der Stabilität und Belastbarkeit auch die sogenannte Biokompatibilität wichtig.
Das bedeutet, dass bei der Auswahl des Materials für die Herstellung von Knieprothesen darauf geachtet wird, dass die Prothese bruchsicher und beständig gegen Korrosion und Abrieb ist. Die biologische Verträglichkeit des Prothesenmaterials wurde vorher ausgiebig erforscht. So ließ sich feststellen, dass Legierungen aus Chrom, Kobalt, Molybdän und zu einem geringen Teil auch Nickel besonders gut für die Knieprothese geeignet sind. Sie überzeugen im Druck- und Belastungstest und ermöglichen den erforderlichen Bewegungsumfang.
Damit die Komponenten der Prothese besonders stabil am Knochen sitzen, können Ärzte entscheiden, ob der Einbau zementiert, nicht-zementiert oder teilzementiert erfolgen soll. Um die richtige Entscheidung zu treffen, beurteilen die Orthopäden die Knochenstruktur des Patienten.
Eine zementierte Implantation wählen die Ärzte vorwiegend bei Patienten aus, deren Knochenbau altersbedingt geschwächt ist. Die Zementschicht besteht aus einem besonderen Kunststoff und Polymethylmetacrylat (PMMA). Die Substanz wird nur ein bis zwei Millimeter dick aufgetragen, verhärtet schnell und verbindet so Prothesenkomponente mit dem Knochen. So können Patienten, der Knochen sonst nur langsam um die Prothese herum wachsen würde, ihr Bein nach der Operation schnell belasten.
Eine zementfreie Implantation erfolgt über das sogenannte “Press-fit”-Verfahren. Die Ärzte wenden dieses Verfahren bei jüngeren Patienten an, deren Knochen noch schnell um die Prothese herum wächst. Die aufgeraute Oberfläche der Prothesenkomponenten sorgt für eine Verzahnung zwischen Knochen und Prothese.
Bei der teilzementierten Hybridbefestigung verankern die Chirurgen die zementierte Oberschenkel- und Patellakomponente und die zementfreie Schienbeinkomponente mittels des “Press-fit”-Verfahrens.
Die Chirurgen in Deutschland implantieren den überwiegenden Anteil der Knieprothesen zementiert oder teilzementiert.
Welche Arten von Knieprothesen gibt es?
Bei den Knieendoprothesen, auch Totalendoprothese (Knie-TEP) genannt, die in 85 Prozent der Fälle zum Einsatz kommen, unterscheidet man drei verschiedene Prothesentypen:
Bei der ungekoppelten Prothese haben die obere und die untere Prothesenkomponente keine Verbindung zueinander. Weil das Innen- , Außen- und das hintere Kreuzband des Kniegelenks noch intakt sind. Können die ungekoppelten Prothesenteile weiterhin von den körpereigenen Bändern geführt werden. Der Bandapparat ist stabil genug, sodass Beugung, Streckung und Rotation weiterhin möglich sind. Diesen Prothesentyp nennen die Orthopäden auch bikondylären Oberflächenersatz oder Doppelschlitten-Prothese.
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Wenn das hintere Kreuzband nicht mehr stabil genug ist, wählen die Ärzte die teilgekoppelte Prothese für die Implantation aus. Hier sind die Prothesenkomponenten über ein Scharnier miteinander verbunden. Das Scharnier übernimmt dann die Funktion des hinteren Kreuzbandes und kontrolliert die Beugefunktion der Prothese. Daher bezeichnet Orthopäden diese Prothese als posterior stabilisierende Prothese (PS-Knie).
Wenn nicht nur das hintere Kreuzband, sondern auch das Außen- und Innenband instabil sind, kommt die gekoppelte Prothese zum Einsatz. Hier verankern die Chirurgen die Prothesenteile mit einem Schaft in den Ober- und Unterschenkelknochen. So sind die beiden Knochen über die Schäfte in einer Achse verbunden. Orthopäden sprechen auch von einer achsgeführten Prothese.
In Deutschland setzen Ärzte am häufigsten eine Knie-TEP ein, die ungekoppelt oder teilgekoppelt ist. Die gekoppelte Prothese kommt lediglich bei stark ausgeprägten Achsfehlstellungen der Beine wie bei X- oder O-Beinen oder beim Ersatz der Knieprothese infrage.
Worauf achten Ärzte beim Einsatz der Knieprothese?
Beim Einsatz eines künstlichen Knies achten Ärzte insbesondere auf die Passform der Prothese. Das neue, künstliche Gelenk soll möglichst dem bestehenden anatomischen Aufbau des Knies entsprechen. Den Chirurgen stehen nicht nur verschiedene Prothesentypen zur Verfügung, sondern auch eine große Auswahl an Größen, Längen und Formen. Sie passen auch den noch intakten Bandapparat an das künstliche Knie an, sodass die Bänder richtig gespannt sind. So ermöglichen Orthopäden den Patienten weiterhin, Bewegungen im Kniegelenk wie eine Streckung, Beugung und Rotation in gewohnter Art durchzuführen.
Weil es sich bei dem künstlichen Kniegelenk um den Einsatz eines Fremdkörpers handelt, fragen die Ärzte nach Allergien und Unverträglichkeiten. Diese Fragen beziehen sich nicht nur auf Medikamenten und Arzneimittel, sondern auch auf Materialien wie Nickel, Chrom, Kobalt oder Molybdän. Die Patienten sollten dafür ihren Allergiepass zum OP-Gespräch mitnehmen.
Die Implantation einer Knieprothese erfolgt minimalinvasiv. Das bedeutet, dass die Chirurgen während der Operation so wenig Gewebe und Muskel wie nur möglich schädigen. Den Zugang zu den Knochen erhalten sie, indem sie die OP-Instrumente durch die Lücken zwischen den Muskeln führen. Am Knochen angelangt, entfernen sie das vordere Kreuzband und entfernen beschädigten Knorpel. Durch die minimal-invasive Operationstechnik kann der Patient das Knie nach der OP schnell belasten.
Doch wie finden die Ärzte die geeignete Prothese, die individuell abgestimmt auf den Patienten ist? Den Chirurgen stehen Daten aus Röntgen- und MRT-Bildern zum Kniegelenk und der Beinstellung zur Verfügung. Sie berechnen computergestützt anatomische Winkel der Beine zueinander, die Knochendicke, die Biomechanik der Knochen und die Beinlänge. Außerdem begutachten sie, wie weit die Arthrose fortgeschritten ist. Durch die Befunde wissen sie, welche Prothese für den Patienten infrage kommt.
Bei der Implantation eines künstlichen Kniegelenks handelt es sich um ein Spezialgebiet der medizinischen Fachrichtung Orthopädie. Für die Operation ist eine hohe Spezialisierung und Kenntnis in der prothetischen Versorgung wichtig. Deshalb sollten Patienten nur Kliniken aufsuchen, die sich auf die Durchführung dieser Operation spezialisiert haben.
Die minimalinvasive Operationstechnik, eine zügige Nachsorge und die Frühmobilisation im Krankenhaus bringen die Patienten zwar schnell auf die Beine, dennoch ist eine Weiterbehandlung in einer Rehaeinrichtung erforderlich. Die Prothesenträger bekommen hier ein physiotherapeutisches Programm, das insbesondere die Oberschenkelmuskulatur stärkt. Neben einem intensiven Bewegungstraining vermitteln Experten dort weitere wichtige Information zum Leben mit der Knieprothese.
Wie viel kostet der Einsatz einer Knieprothese in Deutschland?
Im Jahr 2019 wurden deutschlandweit bei 193.999 Krankenhauspatienten eine Knieprothese implantiert. Diese Zahl steigt von Jahr zu Jahr an. So ist nach der Hüftprothese das künstliche Knie die am zweithäufigsten implantierte Prothese in Deutschland. Die Kosten für die Operation sind abhängig vor der Auswahl des Prothesentyps und der ausgewählten OP-Technik. Mittlerweile führen einige Kliniken den Protheseneinsatz auch roboterassistiert durch. Es wird geschätzt, dass eine Knie-TEP hierzulande im Durchschnitt bis zu 16.000 Euro kosten kann.
Sämtliche Kosten der Operation und Weiterbehandlung werden in Deutschland durch gesetzliche und private Krankenkassen übernommen.
Wie lange ist eine Knieprothese haltbar?
Die Haltbarkeit einer Knieendoprothese wird auf 15 bis 25 Jahren geschätzt. Wie lange sie tatsächlich intakt bleibt, sodass kein Austausch notwendig ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dazu zählen Körpergewicht, körperliche Aktivität und Knochendichte. Ein hohes Gewicht und eine geringe Knochendichte können zur Lockerung der Prothese und einer schnellen Abnutzung führen.
Natürlich sind Bewegung und Sport auch nach der Knieprothese wichtig. Empfohlen sind gelenkschonende Sportarten wie Schwimmen, Radfahren und Gymnastik. Von Aktivitäten, in denen es zu viel Körperkontakt und damit auch ein hohes Sturzrisiko gibt, wie Fußball, raten Ärzte ab. Auch bei Sportarten wie Tennis oder Joggen werden hohe Druckbelastung auf das Kniegelenk ausgeübt.
Eine Wechseloperation zum Austausch einer Knieprothese ist schwieriger und anspruchsvoller als die Erstimplantation. Bei der ersten Knieprothesen-OP müssen die Chirurgen bereits viel Knochensubstanz entfernen. So steht für die zweite Operation viel weniger Knochenmaterial zur Verfügung. Zudem erfordert ein Prothesenwechsel viel Erfahrung.
Aktuellen Statistiken zufolge sind 85 Prozent der Prothesenträger langfristig mit ihrem künstlichen Kniegelenk zufrieden und würden sich auch erneut für eine Knie-TEP entscheiden.
Quellen
Focus. Gesundheit. Arztsuche. Yvonne Küster. Knie-TEP (künstliches Kniegelenk). 2021. https://focus-arztsuche.de/magazin/therapien/was-ist-eine-knie-totalendoprothese. Zuletzt abgerufen am 04.07.2022.
Gesundheitsinformation.de. Kniearthrose (Gonarthrose). Worin unterscheiden sich Knieprothesen?. https://www.gesundheitsinformation.de/worin-unterscheiden-sich-knieprothesen.html. Zuletzt abgerufen am 04.07.2022.
Jerosch, Jörg; Heisel, Jürge; Tibesku, Carsten. Knieendoprothetik. Indikationen, Operationstechnik, Nachbehandlung, Begutachtung. 2015.
Roth, Andreas; Fürmetz, Julian; Böcker, Wolfgang. Referenz Orthopädie und Unfallchirurgie: Knie. 2022.