Nicht alle Leistungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Wollen Patienten sie dennoch bekommen, können sie sie als so genannte individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) selbst bezahlen. Auch bei Kniearthrose werden zwei solcher Therapien angeboten – der Medizinische Dienst der Krankenkassen zweifelt an ihrem Nutzen.
Lukas Hoffmann
Eine solche Selbstzahler-Therapie bei Kniearthrose ist die Blutegeltherapie. Dabei werden mehrere Blutegel auf das schmerzende Knie gesetzt. Mit ihren kleinen Kieferchen beißen sich die Blutegel in der Haut fest und beginnen Blut zu saugen. Dabei gelangt ihr schmerzstillender und entzündungshemmender Speichel in die Blutbahn. Eine solche Blutegeltherapie wird von den Krankenkassen nicht bezahlt. Patienten müssen sie selbst bezahlen. Sie kostet zwischen 19 und 44 Euro pro Sitzung, zuzüglich der Kosten für die Blutegel.
Im IGeL-Report 2024 warnt der Medizinische Dienst der gesetzlichen Krankenkassen vor den hohen Kosten, die Patienten in Deutschland für solche Zusatzleistungen ohne nachgewiesenen Nutzen ausgeben. „Unsere Studie belegt, dass gesetzlich Versicherte mindestens 2,4 Milliarden Euro für IGeL-Angebote ausgeben“, sagt Prof. Dr. Jonas Schreyögg vom Lehrstuhl für Management im Gesundheitswesen der Universität Hamburg, der die Untersuchung wissenschaftlich begleitet hat. „Besorgniserregend ist, dass die meisten Patientinnen und Patienten viel zu wenig Wissen haben, um eine informierte Entscheidung für oder gegen eine IGeL treffen zu können“, sagt er. Zwei von drei Befragten einer repräsentativen Studie gingen fälschlicherweise davon aus, dass die Selbstzahlerleistung medizinisch notwendig sei.
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Meistens sind sie aber nicht nötig. Das ist zumindest die Meinung der Kasse. Einige IGeL sind nach Ansicht des Medizinischen Dienstes sogar gesundheitsschädlich. Von den 56 untersuchten Zusatzleistungen sind 30 „tendenziell negativ“ oder „negativ“. Bei 23 Leistungen ist das Ergebnis „unklar“, es gibt also keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit. Lediglich drei Selbstzahlerleistungen bewerten die Verantwortlichen des Medizinischen Dienstes als „tendenziell positiv“.
Die Blutegeltherapie gehört nicht zu diesen drei Therapien. Ganz im Gegenteil. Sie wird vom Medizinischen Dienst als „tendenziell negativ“ beurteilt. Es gebe keine wissenschaftlichen Belege für einen Nutzen, heißt es in der Begründung. Stattdessen könne es sogar zu unerwünschten Nebenwirkungen wie Hautreizungen oder Juckreiz kommen.
Eine zweite IGeL wird Menschen mit Kniearthrose angeboten: Die Hyaluronsäure-Injektion. Dabei spritzt der Orthopäde die Substanz direkt ins Kniegelenk, um die Funktionsfähigkeit des Knies zu verbessern und Schmerzen zu lindern. Hyaluronsäure ist der natürliche Hauptbestandteil der Gelenkflüssigkeit und wird im Knie von der Gelenkinnenhaut und den Knorpelzellen gebildet. Bei Arthrose ist die Konzentration der Hyaluronsäure häufig vermindert. Mit der Injektion, die zwischen 18 und 42 Euro kostet, soll die fehlende Substanz ersetzt werden.
Allerdings bewertet der Medizinische Dienst auch diese Therapie als „tendenziell negativ“. Zur Injektion von Hyaluronsäure bei Patienten mit Kniearthrose gebe es zahlreiche Studien, diese seien aber überwiegend von schlechter Qualität, so die Schlussfolgerung der Gutachter. Zwar hätten Patienten, die mit Hyaluronsäure behandelt würden, über einige Monate etwas weniger Schmerzen im Knie und könnten es besser bewegen. Allerdings käme es bei der Injektion von Hyaluronsäure auch häufig zu unerwünschten Ereignissen an der Injektionsstelle. Unerwünschte Ereignisse können zum Beispiel Schwellungen, Blutergüsse oder Schmerzen sein. Zudem sei unklar, wie häufig es zu schwerwiegenden Schäden nach der Injektion komme, da diese nur teilweise in Studien untersucht worden seien.
Immerhin: In der aktuellen S2k-Leitlinie Gonarthrose (Kniearthrose) der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) wird die Hyaluronsäure-Therapie nicht generell abgelehnt. Die Hyaluronsäure-Therapie könne bei Patienten mit Kniearthrose eingesetzt werden, wenn andere konservative Therapien wie Physiotherapie oder Schmerzmedikation nicht ausreichend wirken oder nicht angewendet werden können, heißt es dort. Allerdings weisen die Leitlinien-Autoren auch darauf hin, dass die Evidenzlage zur Wirksamkeit von Hyaluronsäure-Injektionen heterogen ist. Dennoch wird die Therapie als sicher beschrieben. Mögliche Nebenwirkungen wie Schmerzen an der Einstichstelle oder Schwellungen seien meist mild und vorübergehend.