Bei dem Prostatakrebs oder -karzinom handelt es sich um einen bösartigen Tumor in der Vorsteherdrüse des Mannes. In Deutschland wird sie jährlich 60.000 Mal diagnostiziert und ist damit die häufigste Krebserkrankung bei Männern. Die Zahl der Neudiagnosen nimmt dabei Jahr für Jahr zu.
Doch die Diagnose ist kein Todesurteil. Im Frühstadium erkannt, hat der noch langsam wachsende Krebs eine hohe Heilungschance. Wie wichtig die Vorsorgeuntersuchungen sind, haben auch die Roth-Zwillinge bei ihrer Diagnose im noch frühen Stadium der Krankheit erkannt.
Ein Bericht von Michael und Ulrich Roth, dokumentiert von Enfal-Nur Celik
Die Zwillingsgeschwister Michael und Ulrich Roth ziehen seit ihrer Geburt gemeinsam durch das Leben. Sie werden beide zu Handballspielern, schaffen es zusammen in die deutsche Nationalmannschaft, erzielen in Länderspielen insgesamt 350 Tore und erhalten fast zur gleichen Zeit die Diagnose Prostatakrebs im Jahr 2009. Nachfolgend berichtet Michael Roth von der gemeinsamen Krankheit.
Der heimtückische Prostatakrebs
Zur Früherkennung des Prostatakrebs wird bei Männern ab dem 45. Lebensjahr eine jährliche Vorsorgeuntersuchung durchgeführt. Denn das heimtückische an diesem Prostatakrebs ist, dass man eigentlich gar nichts merkt. Ich habe es auch nur durch eine regelmäßige Vorsorgeuntersuchung, die ich gemacht habe, entdeckt. Außerdem hat sich im PSA-Wert gezeigt, dass da ein Ausschlag war.
PSA ist eine Abkürzung für das Prostata-spezifische Antigen. Es ist ein Protein, das von der Prostata hergestellt wird und auch im Blut nachweisbar ist. Mit einer Blutprobe kann im Labor untersucht werden, ob der Wert erhöht ist oder nicht. Als der Wert bei mir höher war, hat mein Urologe gesagt, dass er gerne eine Biopsie machen möchte, weil er vermutete, dass da was ist.
Das war dann auch das erste Mal, dass ich über die Krankheit nachgedacht habe. Wenn der PSA-Wert untersucht wird und er erhöht ist, kann es zwar auch andere Gründe haben, aber im Prinzip ist es ein Indiz dafür, dass sich in der Prostata ein Tumor entwickeln könnte. Deshalb ist es auch so wichtig, dass man sich regelmäßig testen lässt.
Mit der Biopsie zur endgültigen Diagnose
Die Biopsie war natürlich relativ unangenehm, weil durch den After ein langer Stab eingeführt wird, mit dem an der Prostata die Untersuchungsproben entnommen werden. Die Anzahl der Proben ist wohl unterschiedlich, bei mir wurden insgesamt 12 Stanzen gemacht. Durch die vielen Einstanzungen in das Prostatagewebe kann der Arzt feststellen, wo genau der Krebs ist.
Nach der Biopsie hat man einige Tage Zeit, bis das Ergebnis kommt. Da war mir aber auch schon klar, dass es Prostatakrebs sein könnte. Es kommen Fragen wie: Was macht man danach? Was hat man früher richtig und falsch gemacht? Trage ich Schuld an der Krankheit? Am Ende ist es auch eine Genübertragung. Denn mein Vater hat mit 72 Jahren auch dieselbe Diagnose bekommen.
Ich habe versucht, mich darauf vorzubereiten. Wenn die Diagnose mitgeteilt wird, ist es aber trotzdem sehr erschütternd. Da kommen einem Worte in den Sinn, wie Chemotherapie und Tod, Inkontinenz und Impotenz. Als Mann mit 47 Jahren will man das natürlich nicht hören.
Die Biopsie hat auch ergeben, dass die Krebszellen noch eingekapselt waren, weshalb zum Schluss auch eine nervenschonende Operation möglich war. Im Aufklärungsgespräch haben die Ärzte den Krebs als gut reparabel eingeschätzt. Das hat mich positiv gestimmt. Ob alles sauber rausgeholt werden konnte, weiß man erst ein paar Monaten nach der Operation. Wir haben einfach Glück gehabt, dass die Krankheit frühzeitig erkannt wurde. Deswegen machen wir auch sehr viel Werbung für Früherkennung und Krebsvorsorge für Männer, damit möglichst viele Betroffene rechtzeitig die Diagnose und Behandlung bekommen.
Operation in Hamburg
Wir haben uns natürlich eine Zweitmeinung und auch eine Drittmeinung zur Therapie eingeholt. Glücklicherweise waren alle drei Ärzte identischer Meinung, deshalb waren wir auch gar nicht verunsichert. Die Entscheidung für die Operation fiel uns bei der Einstimmigkeit der Ärzte leicht. Wir haben uns auch informiert, in welcher Klinik wir die beste Versorgung bekommen und sind dann in einer Hamburger Spezialklinik gelandet. Sie ist spezialisiert auf Prostatakrebs. In Mannheim oder München gab es auch gute Kliniken. Letztendlich ist das aber eine Gefühlssache.
Am Operationstag geht man als gesunder Mann in die Klinik, ich hatte ja noch keine Schmerzen. Hinterher ist man ziemlich ausgeknockt, weil es ja eine schwierige und lange Operation ist. Es wurde bei uns ein großer Schnitt vorne am Schambein gemacht. Das braucht seine Zeit, bis es heilt und sich alles normalisiert. Von daher hatte ich schon einen großen Respekt vor der Operation. Man sollte auf jeden Fall genug Vertrauen in die Ärzte haben, die einen operieren.
Die Zeit nach der OP: Übung macht den Meister
Zehn Tage nach der Operation wird der Katheter gezogen, dann merkt man schon, ob man “dicht” ist. So heißt das leider. Also ob man noch kontinent ist. Bei mir war relativ schnell klar, dass es in der Hinsicht gut gelaufen ist. Irgendwann kommt dann der Moment, in dem man seinen Schwellkörper in Gang bringen soll, um festzustellen, ob man noch potent ist. “Übung macht den Meister”, stand im Prospekt. Nach 14 Tagen bis drei Monate nach der Operation war bei mir beides, Kontinenz und Potenz, wieder in Ordnung.
Nach der Operation haben wir uns nicht für eine Rehaklinik entschieden, sondern für eine Insel. Fuerteventura. Lange Strände, Meer und Sonne. In der Zeit, in der wir noch das Wasserlassen üben sollten, hat uns das gutgetan. Als Leistungssportler hatten wir das Glück, dass wir eine sehr ausgeprägte Muskulatur haben. Beckenbodengymnastik haben wir natürlich gemacht, machen wir heute immer noch, um den Schließmuskel der Blase zu aktivieren und zu trainieren.
Ich würde jedem empfehlen, mindestens sechs bis acht Wochen nach der Operation eine Auszeit zu nehmen und wenn jemand das Gefühl hat, mehr Zeit zu brauchen, soll er sich diese auf jeden Fall nehmen. Der Körper verlangt nach einer so schweren Operation eine Ruhezeit.
Kraft schöpfen in schweren Zeiten
Viel Motivation und Kraft habe ich von meiner Familie bekommen, meinen Kindern und natürlich Uli, meinem Zwillingsbruder. Es ist einfach schön, jemanden zu haben, der einen in jeder Lebenskrise unterstützt. Mein Zwillingsbruder Uli hatte die Diagnose Prostatakrebs nur etwas später. Er hatte aber nach meinem ersten Schock den Vorteil, zu wissen, wo man hingehen muss, was man als Nächstes machen muss. Er hatte dann auch den gleichen Verlauf wie ich: in Hamburg operiert, Urlaub auf Fuerteventura.
Auch über zehn Jahre nach der Operation werde ich jeden Tag mit der Krankheit konfrontiert. Beim Wasserlassen eben oder dass ich schauen muss, rechtzeitig zu Hause zu sein, wenn ich abends ein paar Gläser Wein trinke, weil der Schließmuskel ermüdet. Das sind alles Dinge, mit denen man gut Leben kann und sich arrangiert. Mein Bruder und ich waren beruflich und privat immer auf der Überholspur unterwegs. Jetzt haben wir gelernt, dass wir nicht immer die Letzten auf der Party sein müssen und auch nicht jedem Job nachgehen müssen. Mein Zwillingsbruder und ich nehmen uns jetzt mehr Freizeit.
Kraft hat mir auch meine neue Aufgabe gegeben, mit der Krankheit offen umzugehen. Ich spreche darüber in Interviews, Berichten und im Fernseher, um andere Männer zu bewegen, zur Vorsorge zu gehen. Unser Arzt sagte: “Die Roths haben vielen Männern das Leben gerettet” – und das macht einfach Spaß.
Vorsorge rettet Leben
Ich würde sagen, wir haben relativ viel richtig gemacht. Das Erste, was man richtig macht, ist, einmal im Jahr zum Urologen zu gehen, um sich testen zu lassen. Es gibt viele Männer, die Schamgefühle haben. Einige haben auch Angst davor, dass tatsächlich etwas gefunden werden könnte. Deshalb sprechen wir auch die Frauen an, Männer zu motivieren, zum Urologen zu gehen und Vorsorgeuntersuchungen wahrzunehmen. Die Männer sind da etwas muffelig unterwegs. Männer werden nach den Untersuchungen in der Kindheit nicht mehr vom Arzt kontrolliert. Frauen werden viele Jahre begleitet von ihrem Frauenarzt und werden so automatisch auf Krebsvorsorgeuntersuchungen aufmerksam gemacht.
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Man muss tatsächlich Werbung dafür machen, dass Männer spätestens ab 45 jährlich Untersuchungen durchführen lassen. Dann hat man gute Chancen, dass Prostatakrebs, Hodenkrebs, Nierenkrebs oder Leberschäden früh erkannt wird. Es sterben jährlich noch viel zu viele Männer daran, weil sie nicht zu den Vorsorgeuntersuchungen gehen. Das wäre eigentlich vermeidbar.
Mein Bruder und ich haben für diesen Zweck zwei Bücher geschrieben: Unser Leben- unsere Krankheit, eine Biografie rund um den Prostatakrebs. Das Buch haben wir nach zehn Jahren neu aufgelegt, als Überlebensbuch Hurra, dass wir Leben noch leben! Wir haben den Krebs überlebt. Wir haben es nur geschafft, weil wir wie die Vorsorgeuntersuchungen gemacht haben!
Alle Bilder: privat