Im Jahr 2020 waren insgesamt 149.084 Personen mit Erkrankungen und Verletzung an der Schulter in deutschen Kliniken in Behandlung. Doch wann ist eine Operation wirklich notwendig? Welche OP-Methoden gibt es? Welche Komplikationen können auftreten? Im folgenden Beitrag werden diese Fragen beantwortet.
Ein Beitrag von Lukas Hoffmann
Das Schultergelenk verbindet die Arme mit dem Rumpf. Es zählt zu den beweglichsten Gelenken in unserem Körper. Daher hat es einen ganz besonderen Aufbau: Ein sogenanntes Kugelgelenk am Oberarmkopf (Caput humeri) ist in der Schulterblattgelenkpfanne (Cavitas glenoidales) verankert. Diese Verankerung wird über Muskel und Bänder gewährleistet. So ist das Gelenk beweglich und dennoch stabil.
Bei Gelenkerkrankungen und -verletzungen können die Ärzte entweder eine konservative oder eine operative Therapie anordnen. Die konservative Behandlung ist nicht invasiv. Das bedeutet, dass mithilfe von Physiotherapie und Schmerzmedikation die Symptome gelindert werden. Bei einigen Erkrankungen kann die gewünschte Besserung mithilfe der konservativen Behandlung aber nicht erreicht werden. Dann kann nur noch eine Operation helfen, die Bewegungs- und Schmerzfreiheit wiederherstellen. Bei diesen Krankheiten kommt eine Schulter-OP infrage:
Arthrose im Schultergelenk
Liegt eine arthrotische Veränderung im Schultergelenk vor, sprechen die Mediziner auch von einer Omarthrose. Meistens ist die Ursache eine frühere Verletzung oder Erkrankungen wie Rheumatoide Arthritis (Gelenkrheuma). In beiden Fällen wird der Gelenkknorpel irreversibel geschädigt. Dadurch kommt es zu Reibungen zwischen den Knochenelementen, die das Gelenk bilden. Die entstandene Fehlbelastung baut noch mehr Knorpel ab und kann auch zu einer Gelenkentzündung führen.
Wenn die Arthrose nicht physiotherapeutisch behandelt wird, schreitet sie fort. Die Gelenkschäden sind dann so stark ausgeprägt, dass etwaige Fehlstellungen von Knochen oder Knorpelschäden operativ behandelt werden müssen. Es kann auch sein, dass Ärzte die Implantation einer sogenannten Endoprothese empfehlen. Die beschädigten Knochenteile werden dann von einer Prothese ersetzt. Die Prothese imitiert den Knochen in Funktion und Form, sodass nach der Operation Bewegungen wieder schmerzfrei möglich sind.
Luxation des Schultergelenks
Bei einer Luxation springt der Gelenkkopf aus der Schultergelenkpfanne. Die dabei einwirkende Gewalt verletzt oftmals auch Bänder, Sehnen, Blutgefäße oder Nerven. Es kann auch zu Knochenbrüchen kommen. Wenn der Oberarmkopf von selbst zurückspringt, spricht man von einer Subluxation.
Ursachen für eine Luxation kann eine angeborene Gelenkinstabilität sein. Oftmals kommt es auch zu wiederholten Luxation schon bei geringen Belastungen. Eine Schulterluxation ist sehr schmerzhaft und zählt als chirurgischer Notfall! Die Einrenkung nimmt ein Orthopäde sofort vor, wenn er Begleitverletzungen ausschließen kann. Wenn umliegende anatomische Strukturen verletzt wurden, kommt eine Operation infrage. Die Chirurgen stabilisieren Luxationsfrakturen, vernähen gerissene Bänder und Sehnen und straffen zusätzlich den ausgedehnten Bandapparat. So wird eine erneute Luxation langfristig vorgebeugt.
Bruch im Schultergelenk
Zu einem Bruch im Schultergelenk kommt es, wenn man sich beim Sturz mit dem Arm abfängt. Insbesondere bei älteren Personen, die an Osteoporose leiden, kann ein Sturz so zu einem Bruch am Oberarmkopf führen. So eine Fraktur ist sehr schmerzhaft und muss dringend behandelt werden. Denn durch den Bruch kann die Blutversorgung zum Oberarm unterbrochen sein, sodass es zum Absterben des Oberarmknochens kommt. Man spricht dann von einer Humeruskopfnekrose. Die Nekrose schränkt auch die Funktion des Schultergelenkes ein.
In den meisten Fällen reicht eine Ruhigstellung mittels einer Schiene aus. Doch wenn die Bruchstücke verschoben sind, muss operativ eine Stabilisierung vorgenommen werden. Wenn beim Bruch auch die Gelenkflächen der Schulter betroffen sind, müssen die Chirurgen eine Schulterprothese einsetzen.
Schulter-Impingement
Beim Impingement-Syndrom am Schultergelenk handelt es sich um eine schmerzhafte Einklemmung von Muskelsehnen und Nerven im sogenannten Subakromialraum. Der Subakromialraum befindet sich zwischen Schulterdach und Oberarmkopf. An dieser Stelle verläuft die Sehne des Muskulus Supraspinatus. Die Supraspinatussehne wird von einem Schleimbeutel der Bursa subacromialis geschützt. Sie sorgt dafür, dass die Sehne bei Bewegungen besser gleiten kann. Durch knöcherne Veränderungen im Schultergelenk oder Verletzungen der umliegenden Weichteile (Schleimbeutelentzündung) kommt es zu einem Engpasssyndrom. Das bedeutet, dass die Supraspinatussehne eingeklemmt ist und nicht wie gewohnt bei Bewegungen mitgleiten kann.
Das Impingementsyndrom macht sich vor allem durch akute Schmerzen bemerkbar. Die Schmerzen werden stärker, wenn der Arm angehoben wird. Menschen, die am Schulter-Impingement leiden, vermeiden derartige schmerzhafte Bewegungen. Liegt zusätzlich die häufig auftretende Entzündung des Schleimbeutels vor, kommt es zu Verklebungen und Verwachsungen, die die Komprimierung nur noch verstärken.
Wenn mehrere Monate konservative Behandlungsmethoden die Schmerzen nicht lindern, kommt eine Operation infrage. Die Orthopäden führen die sogenannte Arthroskopie (Gelenkspiegelung) durch. Das ist eine minimal-invasive OP-Technik, bei der die Chirurgen den Engpass lösen. Sie entfernen die Knochenwucherungen, beseitigen Knorpelschäden und Verklebungen. Wenn ein Sehnenriss vorliegt, so können sie diesen auch vernähen.
Verkalkung einer Muskelsehne
Zu einer Verkalkung einer Muskelsehne oder auch Kalkschulter genannt, kommt es, wenn wegen einer Durchblutungsstörung an der Rotatorenmanschette Kalk in den Sehnen abgelagert wird. Besonders betroffen ist hier die Supraspinatussehne.
Betroffene leiden an Bewegungsunfähigkeit, plötzlichen Schmerzen ohne einen bestimmten Auslöser und Schmerzen beim Schlafen auf der betroffenen Seite. Ist das Kalkdepot so groß, dass konservative Behandlungsmethoden die Beweglichkeit der Schulter nicht wiederherstellen können, kommt eine Kalkschulter-Operation infrage. Das Kalkstück kann operativ entfernt werden.
Läsion an der Rotatorenmanschette
Als Rotatorenmanschette bezeichnen Mediziner eine Gruppe von Muskeln, deren Sehnen das Schultergelenk stabilisieren und Bewegungen des Oberarmes ermöglichen. Vor allem die bereits erwähnte Supraspinatussehne muss großen Belastungen standhalten. Wenn sie oder eine Sehne der übrigen Muskeln aus der Rotatorenmanschette reißt, spricht man von einer Läsion. Der betroffene Muskel verkümmert bei fehlender Behandlung.
Die Konsequenz für das Schultergelenk ist, dass Oberarmknochen und Schulterdach aufeinandertreffen. Die Knochen reiben aneinander, sodass es zu Schäden der knöchernen Strukturen kommt. Zu einem Riss kann es nach langjährigen arthrotischen Veränderungen oder einer Verletzung nach einem Unfall kommen.
In einem solchen Fall können die Orthopäden den Sehnenriss während einer Operation vernähen.
Welche Methoden gibt es bei Schulteroperationen?
Bei den operativen Verfahren, die am Schultergelenk durchgeführt werden, unterscheiden die Mediziner die minimal-invasiven von den offenen Verfahren.
Offene Verfahren
Bei den sogenannten offenen Operationsverfahren benötigen Orthopäden längere chirurgische Hautschnitte, um den größtmöglichen Einblick in das Operationsgebiet zu haben. Chirurgen wenden sie also nur dann an, wenn minimal-invasive Verfahren für das gewünschte Operationsergebnis nicht ausreichen. Beispielsweise erfolgt der Einsatz einer Schulterprothese, die Behandlung von Schulterluxation oder schwere Sehnenschäden an der Rotatorenmanschette über offene Operationsverfahren.
Minimal-invasives Verfahren
Viele Schulteroperationen führen Ärzte mittels minimal-invasiven Verfahren durch. Man spricht auch von einer Arthroskopie oder Gelenkspiegelung. Hierbei wenden die Chirurgen die sogenannte Schlüssellochmethode an. Sie erreichen das Schultergelenk über einige kleine Schnitte. Mit dieser minimal-invasiven Technik wird nur so wenig Gewebe wie nötig geschädigt, weshalb die anschließende Heilung viel schneller erfolgt. Es eignet sich besonders gut bei der Behandlung von arthrotischen Veränderungen, der Kalkschulter, des Impingement-Syndroms oder bei Risses an der Rotatorenmanschette.
Welche Komplikationen sind bei Schulteroperationen möglich?
Wie lange eine Schulter-OP dauert, hängt von der Verletzung, dem individuellen Ausmaß der Erkrankung und dem angewandten OP-Verfahren ab. Während die operative Behandlung des Impingementsyndroms ungefähr eine halbe Stunde dauert, benötigen Chirurgen für das Vernähen von Sehnenrissen oder der Bandstraffung nach einer Luxation fast eine Stunde. Auch die Entfernung von Kalkdepots kann eine Stunde Zeit dauern.
Wie bei jeder Operation unter Vollnarkose gibt es Komplikationen, die auch bei einer Schulter-OP auftreten können. Es kann zu einer Narkoseunverträglichkeit, Blutungen oder einer bakteriellen Infektion kommen. Diese Komplikationen gibt es nur in seltenen Fällen. Die Ärzte sind aber dazu verpflichtet, Patienten über mögliche Komplikationen zu informieren. Das Krankenhaus ist ebenso für die Behandlung dieser Komplikationen ausgerüstet. Wichtig ist, dass Patienten im OP-Vorgespräch Vorerkrankungen, Medikamentenunverträglichkeiten und Allergien sorgfältig angeben. Wenn die Chirurgen alle Informationen im Vorfeld haben, können sie auf mögliche Komplikationen besser reagieren.
Durch die Schulterregion ziehen viele Nerven und Blutgefäße weiter zum Arm. Diese Strukturen sind sehr sensibel und während einer Schulteroperation auch einem Verletzungsrisiko ausgesetzt. Aber die Ärzte, die operieren, sind nicht nur Orthopäden, sondern auch auf Schulterchirurgie spezialisiert. Das bedeutet, dass der Fokus ihrer ärztlichen Weiterbildung auf der operativen Behandlung von Schulterverletzungen liegt. Eine Schulter-OP ist für diese Ärzte ein Routineeingriff. Dennoch kann es zu Verletzungen von Nerven, Knochen oder Muskeln kommen. Aber auch diese Komplikationen sind gut behandelbar.
In den meisten Fällen läuft die Operation komplikationsfrei ab, sodass Patienten nach drei bis fünf Tagen Krankenhausaufenthalt wieder nach Hause gehen dürfen. Während des stationären Aufenthalts betreuen Ärzte und das Pflegepersonal die Patienten engmaschig. Wenn die Operation minimal-invasiv erfolgt ist, kann am nächsten Tag bereits die Mobilisation beginnen. Das bedeutet, dass die Pflegefachkräfte versuchen, den Patienten wieder auf die Beine zu bekommen, damit er zu Hause Alltagstätigkeiten mit geringer körperlichen Belastung selbstständig nachgehen kann. Ziel ist es vor allem die Muskulatur so schnell wie möglich wieder anzuregen. Gerade beim Schultergelenk ist das besonders wichtig, weil die Muskeln der Rotatorenmanschette eine stabilisierende Funktion haben.
Die Chirurgen vernähen die OP-Schnitte mit speziellen Fäden, die sich von selbst auflösen. So müssen keine OP-Fäden gezogen werden. Nur bei den offenen Schultereingriffen kann noch eine normale Naht zum Einsatz kommen, die nach zwei bis drei Wochen gezogen werden. Um das Aufweichen der Haut im Operationsgebiet vorzubeugen, empfehlen Ärzte beim Duschen ein wasserdichtes Pflaster zu verwenden oder die Duschzeit kurz zu halten. So sollen Infektionen verhindert werden.
Verlauf und Prognose nach der Operation
Wie lange der Heilungsprozess dauert, hängt ebenfalls von der Schultererkrankung ab. Nach der Operation werden Patienten mittels ambulanter Physiotherapie und Muskeltraining schrittweise wieder an den Alltag herangeführt. Gegen die Schmerzen, die sie nach der Operation haben, erhalten sie auf ärztliche Anordnung Schmerzmittel.
Während Patienten, die am Impingement-Syndrom leiden, noch am OP-Tag geringe Belastung auf sich nehmen können, benötigen Patienten, die eine Schulterendoprothese erhalten haben, wesentlich mehr Zeit. Denn auf den Klinikaufenthalt folgt oftmals auch ein Rehabesuch. Hier überwachen Rehaärzte den Heilungsprozess nach der Operation mit dem Ziel, eine volle Beweglichkeit der Schulter zu erreichen.
Patienten sollten damit rechnen, dass ihre Beweglichkeit nach der Operation eingeschränkt ist und sie möglicherweise eine Krankschreibung für den Arbeitgeber benötigen. Diese stellt der Facharzt aus. Wenn Patienten wegen einer Kalkeinlagerung oder des Impingementsyndroms operiert wurden, können sie nach drei bis vier Wochen in den Beruf zurückkehren. Voraussetzung dafür ist, dass sie keine körperliche schwere oder “Überkopfarbeit” verrichten müssen, bei der der Arm über 90 Grad angehoben wird.
Wenn Patienten Sport treiben, sollten sie mit dem Facharzt abklären, ob die gewohnte Aktivität nach der Operation weitergeführt werden kann. Sport kann nach drei bis sechs Monaten nach der Operation wieder aufgenommen werden. Auch auf das Autofahren sollten Patienten in der nächsten Zeit verzichten. Denn mit der Schulter ist auch die Beweglichkeit im Arm eingeschränkt. Das Lenkrad zu kontrollieren oder die Gangschaltung zu bedienen, zählen in dem Fall zur körperlichen Belastung und sollte vier bis sechs Wochen gemieden werden.
Sehr gut verständlich und informativ
Sehr geehrter Herr Hoffmann,
recht herzlichen Dank für ihren sehr gut verständlichen und informativen Beitrag.
Sehr gerne;)